„Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken soll und sie nicht mehr zu Herzen nehmen soll. Freut euch und seid fröhlich über das, was ich schaffe, spricht Gott.“
Ein neuer Himmel, eine neue Erde – So beginnt eine Vision des Propheten Jesaja. Er öffnet die Tür zu einer Hoffnung, die nicht an den Gräbern endet: Gott schafft neues Leben unter einem neuen Himmel auf einer erneuerten Erde. Er schenkt Hoffnung.
Wir kennen dieses neue Leben noch nicht, sehen es nicht. Im Glauben können wir es ahnen. Unter dieser Vision und im Angesicht der Trauer sind wir heute morgen zusammen. Zwischen Trauerzeit und Ewigkeit.
„Den eigenen Tod stirbt man, mit dem Tod der anderen muss man leben“ so heißt es, und wie wahr das ist, dass haben die meisten von ihnen in den vergangenen Monaten erlebt. Sie haben einen Menschen verloren, der zu ihnen gehört hat. Und nun müssen sie mit dem Tod dieses Menschen leben.
Wie macht man das? Wie kann man das? Es gibt keine Rezepte dafür.
Jeder von uns lebt anders mit seiner Trauer und seinem Schmerz, jeder stellt andere Fragen und findet andere Antworten und auch jeder Abschied ist anders.
Da trauert eine um ihre altgewordene Oma. Die Erinnerungen an sie reichen weit zurück in die eigene Kinderzeit. Sie hat gespürt: Oma war zufrieden, sie war bereit zu sterben. Da verbinden sich Trauer und Dank.
Ein anderer schaut auf den nun leeren Platz des Partners und kann es noch immer nicht fassen. Er leidet unter den immer wieder gleichen Fragen, die ihm Kopf herumgehen, gerade abends, vor dem Einschlafen: Warum? Warum schon jetzt, warum auf diese Weise? Und wie geht es weiter für mich?
Vielleicht haben sie es als hilfreich erlebt, wenn sie einfach erzählen durften – von dem, was sie beschäftigt, von dem Menschen, den sie gehen lassen mussten. Dass sie Zuhörer gefunden haben und Gesprächspartner – und es vielleicht auch für andere selbst sein konnten. Dass Trauer seine Zeit braucht, müssen wir in einer schnelllebigen Zeit oft neu lernen.
In Gottesdienst am Ewigkeitssonntag hat das Gedenken einen besonderen Horizont: wir bleiben nicht bei dem Blick auf den Tod stehen.
Über unser Leben wird ein Bogen gespannt, der gut 2500 Jahre zurückreicht und gleichzeitig in die Zukunft ragt.
Unsere Erfahrungen, unsere Wünsche und Hoffnungen werden eingetragen in den weiten Horizont von Erfahrungen, von Hoffnung und Zuversicht der Glaubenden vieler Generationen. Wir hören von einem Himmel und einer neuen Erde.
„Alles wird einmal anders.“ sagt dieses Hoffnungsbild.
Und doch knüpft der Prophet an Situationen des Lebens seines Volkes an, um sie zu trösten. Er weiß, was sie quält. Und so sagt er ihnen zu:
Jesaja 65, 17-25
Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude, und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk.
Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens. Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen, sondern als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt, und wer die hundert Jahre nicht erreicht, gilt als verflucht. Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen. Sie sollen nicht bauen, was ein anderer bewohne, und nicht pflanzen, was ein anderer esse. Denn die Tage meines Volks werden sein wie die Tage eines Baumes, und ihrer Hände Werk werden meine Auserwählten genießen. Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, und ihre Nachkommen sind bei ihnen. Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören. Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR.
Mich berührt in der Vision des Propheten, wie konkret und fassbar diese Hoffnungen sind. Es wird aufhören, dass Kinder, junge Menschen sterben, dass Kinder vor ihren Eltern gehen müssen. Die Menschen werden alt und lebenszufrieden sterben. Das Leiden der Schwerkranken und ihrer Familien wird es nicht mehr geben.
Und Menschen werden nicht mehr darunter leiden, dass sie die Früchte ihrer Arbeit nicht mehr einbringen dürfen; das Gefühl: für wen mache ich das alles? Und sie werden nicht mehr nach Gott suchen, weil er ganz nahe ist, weil er hört und redet.
Die Vision eines neuen Himmels und einer neuen Erde hat sich für uns Christen durchgezogen bis heute. Bei vielen Trauerfeiern hören wir aus der Offenbarung: „Gott wird abwischen alle Tränen von unseren Augen und der Tod wird nicht mehr sein. noch Leid, noch Schmerz, noch Geschrei wird mehr sein. Siehe, Gott macht alles neu!“ Ende und Neuanfang fallen zusammen.
Vielleicht geht es ihnen wie mir: Mich trösten diese anschaulichen Beschreibungen, diese Versuche, die Ewigkeit mit aller Wärme der Liebe Gottes zu buchstabieren. In einem solchen Bild kann man verweilen und Kraft schöpfen.
Anderen wird die Bildlichkeit zu viel; den Himmel beschreiben, dass können und wollen sie gerade nicht, das wird zu konkret.
Für sie erinnere ich an die Geschichte der zwei alten Mönche, die in einem Kloster ihr Leben lang miteinander verbunden waren. Immer wieder sprachen sie über den Himmel und wie es dort sei. Sie malten sich diese Zukunft aus und eines abends versprachen sie sich, dass derjenige von ihnen, der zuerst sterben würde dem anderen eine Nachricht zukommen lassen würde, wie es denn nun sei. Als der eine der beiden Mönche starb, dachte der andere an dieses alte Versprechen. Als er sich abends schlafen legte, war er voller Erwartung. Nun würde er bald wissen, wie es im Himmel sei! In der Nacht erschien ihm sein Mitbruder im Traum, ganz so, wie er es versprochen hatte. Und er lächelte ihn an und sagte nur dies: „Es ist ganz anders.“
Ob mit einem Bild oder ohne – die Zusage Gottes wird deutlich: Er ist uns nahe über das Ende hinaus. Mit der Auferstehung Jesu, mit dem Licht des Ostermorgens scheint das neue Leben bei Gott schon in unser Leben schon hinein.
Und so stimmen auch wir heute, 2500 Jahre nach der alten Prophezeiung in die Erwartung eines neuen Himmels und einer neuen Erde ein.
In dieses Vertrauen legen auch wir unsere Verstorbenen hinein. Amen
Pastorin Birgit Spörl, Ritterhude